Streifzüge durch die Apfelparadiese

Naturschützer laden für den Tag der deutschen Einheit am 3. Oktober zum Hildesheimer Streuobstwiesentag ein

Kreis Hildesheim (wü). Streuobstwiesen bieten eine Vielfalt an alten, kaum noch bekannten Obstsorten, sind Lebensräume für viele Tierarten und Pflanzen. Am 3. Oktober können Besucher Streuobstwiesen in Stadt und Landkreis besichtigen, dort Obst probieren oder selbst pflücken, die Kunst des Veredelns und alte Apfelsorten kennenlernen oder frisch gepressten Apfelsaft genießen.
 
Streuobstwiese bei Groß-DüngenSehen lecker aus: Äpfel auf einer Obstwiese bei Groß Düngen. In der Region gibt es inzwischen immer mehr solcher Wiesen. Foto: GossmannDer Arbeitskreis Hildesheimer Streuobstwiesen lädt am Tag der deutschen Einheit zu Streifzügen durch die Apfelparadiese der Region ein. In der Initiative haben sich Naturfreunde und Liebhaber alter Obstsorten zusammengeschlossen. Ihr Ziel: die Streuobstwiesen in der Region zu erhalten, neue anzulegen und die Pflege auf Dauer zu sichern. Unterstützt werden sie dabei von der regionalen Erzeugergemeinschaft Hi-Land, der Paul-Feindt-Stiftung, dem Schulbiologiezentrum und dem Landkreis Hildesheim. Am Hildesheimer Streuobstwiesentag präsentiert der Arbeitskreis acht Streuobstwiesen, jeweils vier in Stadt und Landkreis. Die Programme sind von Wiese zu Wiese unterschiedlich.
 
• Groß Düngen: Um 10 Uhr startet an der Streuobstwiese (Bergstraße in Richtung Gaststätte Waldfrieden) ein Rundgang mit fachkundiger Führung. Besucher können bei einem Apfelsortenquiz mitmachen und Äpfel alter Obstsorten probieren.
 
• Giesen/Emmerke: Auf der Streuobstwiesen Am Heeser informieren Mitglieder der Naturschutzgruppe des Heimatvereins Giesen von 14 bis 16.30 Uhr über die Geschichte und aktuelle Nutzung der Wiese, die Pflege und das Anpflanzen alter Obstsorten sowie den Vogelschutz. Im Mittelpunkt stehen auch die gemeinsamen Projekte mit der Grundschule Giesen/Hasede.
 
• Wittenburg bei Elze: An der idyllisch gelegenen Obstwiese hinter der Klosterkirche gibt es von 14 bis 17 Uhr reichlich Informationen rund um das Thema Streuobst. Führungen durch die Klosterkirche stehen ebenso auf dem Programm.
 
• Everode, Hof Luna: Von dem Biohof aus startet eine Führung zur Streuobstwiese an der Hängeziege oberhalb von Everode. Zwischen 14 und 17 Uhr gibt es zudem Apfelsorten zum Probieren, Apfelkuchen und verschiedene Getränke.
 
• Hildesheim-Ochtersum: Im Schulbiologiezentrum am Parkplatz unterhalb des Wildgatters wird von 14 bis 17 Uhr frischer Apfelsaft aus Streuobst gepresst, wer möchte, kann Apfel auf der Streuobstwiesen selbst pflücken. Ebenfalls im Angebot: ein Wildfrüchte-Spiel und Kulinarisches.
 
• Hildesheim, Waldorfschule: Im Schulgarten der Waldorfschule sind von 14 bis 17 Uhr alte Apfelsorten ausgestellt, zu sehen ist auch ein Sortiment von Wildäpfeln. Die kleine Baumschule mit alten regionalen Obstsorten steht Besuchern offen, gezeigt wird zudem das Veredeln von Obstbäumen.
 
• Hildesheim, Trillke-Gut: In der Zeit von 10 bis 13 Uhr ist auf den Streuobstwiesen am Trillke-Gut eine Verkostung verschiedener Apfelsorten möglich. Die Organisatoren starten zudem einen Aufruf an alle ehemaligen Trillke-Schülerinnen: „Wer kennt den Sortennamen der alten gelben Apfelsorte?"
 
• Hildesheim, Gallberg: Auf der Streuobstwiesen am Gallberg, Ecke Klusburg, haben Besucher von 10 bis 13 Uhr die Möglichkeit, verschiedene Streuobstsorten zu probieren und Früchte von den Bäumen zu pflücken. Außerdem gibt es Informationen zu geplanten weiteren Pflanzaktionen.
 
Weitere Informationen zu den einzelnen Veranstaltungen des Streuobstwiesentages und Anfahrtskizzen gibt es im Internet unter www. landkreishildesheim.de/streuobst
 

Saftige Perspektiven im Land

 
Kreis Hildesheim (ara). Frisch gepflückte Äpfel vom Land statt eingeschweißtes Obst von der Billig-Theke: Viele haben Appetit auf Süßes aus der Region und wollen Streuobst von der Wiese.
 
Sie können auf den Ertrag von mehr und mehr Streuobstwiesen in der Region setzen. Der Erzeugergemeinschaft HI-Land zufolge sind es inzwischen 20 bis 30 solcher Flächen, die meist zwischen zwei und vier Hektar umfassen. Die größte erstreckt sich in Eberholzen. Dort reift seit April 2011 ein Gebiet heran, das so groß wie fünf Fußballfelder ist. Den Streuobst-Boom erklären sich Naturschützer mit einem Umdenken zahlreicher Menschen. „Es gibt eine Rückbesinnung", sagt Bernd Galland von der Paul-Feindt-Stiftung. Verbraucher legten Wert auf Qualität, die im Umland wächst.
 
„Für viele gilt: Zurück zur Natur", meint auch Hubert Schmidt vom Heimatverein Giesen, der sich mit Schülern um eine Obstwiese bei Emmerke kümmert.
 
Im Gegensatz zu dieser Entwicklung begann vor einigen Jahrzehnten der Rückgang der Streuobst wiesen. Zwar waren sie bis in die 1960er Jahre für die Versorgung wichtig, bei Brüggen etwa gab es eine große Plantage mit hochstämmigen Obstbäumen. Doch dann wendete sich das Blatt. Gewerbegebiete und Neubauflächen dehnten sich auf ehemaligen dörflichen Streuobstgürteln aus. Außerdem flössen Rodungsprämien vom Staat, um den Obstanbau auf Monokulturen und wenige Sorten zu reduzieren. „Erhebungen ergaben, dass die Bestände der Wiesen alleine zwischen 1965 und 2000 um bis zu 70 % zurückgegangen sind", berichtet das Netzwerk „Culinar Regional" für Lebens- und Genussmittel aus Deutschlands Regionen. Dem steuern viele Naturfreunde aus der Region schon seit Jahren lange entgegen. „Wir wollen Paten für die Wiesen gewinnen", sagt Alfred Müller von der Organisation Hi-Land, die mit der Paul-Feindt-Stiftung und auch dem Schulbiologiezentrum Hildesheim kooperiert.
 
Das bedeutet: Gesucht sind Rentner, aber auch junge Leute, die mithelfen. Wiesen zum Beispiel durch Rückschnitt zu pflegen. Der Lohn: Wer gearbeitet hat, darf das vitaminreiche und ungespritzte Obst ernten. „Gerade für Schüler ein tolles Erlebnis", berichtet Doris Kilb von der Grundschule in Giesen. Jedes Kind, das auf der Schule unterrichtet wird, kommt mit dem Streuobst bei Emmerke in Berührung. Das Motto: Natur zum Anfassen und Genießen. „Hinzu kommt, dass man dort Nistkästen und Insektenhotels aufstellen kann, um den Erhalt seltener Arten zu fördern", erklärt Hubert Schmidt vom Heimatverein Giesen. Jedoch kann man nicht überall Obstwiesen anlegen, weil Land für diverse Zwecke gefragt ist. „Der Standort muss stimmen", fordert Adolf Galland. „So etwa gehört solch eine Wiese nicht in ein Überschwemmungsgebiet."
 
Der Landkreis unterstützt Streuobstprojekte mit einem Förderprogramm. „Weil viele Flächen beim Ausbau von Straßen verschwinden oder der Rübenabfuhr im Wege stehen", so Martina Stube vom Umweltamt. Überdies könnten die Wiesen als Ausgleich nach Eingriffen in die Natur dienen. Und: Streuobst sei recht preiswert: „In einigen Orten werden auch Obstbäume versteigert - in Gronau etwa kann man sich für zwei Euro die Ernte eines Baumes sichern."
 
© Hildesheimer Allgemeine Zeitung